Die Gemeinschaft macht uns stark – auch in der Klimakrise
Sie engagieren sich gegen den Klimawandel und für die Ernährungswende, sehen sich in der Verantwortung, einen Beitrag zur Bewältigung der großen Krisen zu leisten: Katharina van Bronswijk bei Psychologists for Future, Nelia Häuser bei Slow Food Youth Deutschland. Wie wichtig Zuversicht für ihr Handeln ist und wie sie mit Ohnmachts- und Verzweiflungsgefühlen umgehen, erzählen sie im Gespräch mit Birgit Schumacher vom Slow Food Magazin.
15.02.2023
Katharina van Bronswijk (Bild links) ist Pressesprecherin der Psychologists for future, Nelia Häuser (Bild rechts) Mitglied des Leitungsteams von Slow Food Youth Deutschland.
Slow Food Magazin: Was bedeutet Zuversicht für Euch – und was bedeutet es vielleicht auch nicht?
Nelia Häuser: Ich kann mich mit dem Begriff »Zuversicht« viel mehr identifizieren als mit den Begriffen »Optimismus« oder »Hoffnung«. Zuversicht ist für mich kein blindes Urvertrauen, sondern hat eine sehr aktive Komponente: Wenn wir etwas tun und aktiv werden, können wir die jetzigen und kommenden Schwierigkeiten überstehen.
Katharina van Bronswijk: Das geht mir sehr ähnlich. Zuversicht beinhaltet einen gewissen Optimismus, aber keine Passivität, sondern tatsächlich die Überzeugung, dass man selbst etwas bewirken kann.
Ihr seid beide in Gruppen aktiv, in der Slow Food Youth und bei Psychologists for Future. Wie wichtig ist für Euch Gemeinschaft und das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit, um zuversichtlich zu bleiben?
N.H.: Die Vorstellung, ich müsste mich alleine mit all den Problemen und Krisen beschäftigen, allein dieser Gedanke macht mich noch ohnmächtiger als ich mich eh schon manchmal fühle. Ich finde den Austausch mit anderen enorm wichtig. Zu wissen, ich bin in einer Gruppe, die die gleichen Werte teilt wie ich, gibt viel Kraft.
K.v.B.: Zugehörigkeitsgefühl ist wichtig, um sich nicht mehr so als Alien zu fühlen. Man denkt ja manchmal, man sei die einzige Person, die sich Sorgen um die Zukunft macht. Das hängt auch damit zusammen, dass so wenig über diese Dinge geredet wird, weil das Stimmungskiller sind. Und wenn man mit anderen Leuten zusammen ist, die genauso denken, dann ist das ein total schönes Gefühl und hilft gegen emotionale Überforderung. Zu diesem Phänomen der »kollektiven Selbstwirksamkeit« gibt es auch etliche Studien.
Es gibt ja trotzdem Tage, da könnte man auch als zuversichtlicher Mensch glatt verzweifeln. Wie schafft Ihr es, dass die negativen Gefühle nicht die Oberhand gewinnen?
N.H.: Manchmal gewinnen sie die Oberhand, manchmal habe ich Tage, wo ich nur geplagt bin von Zukunftsangst. Das ist inzwischen für mich aber auch okay. Das war der krasseste Schritt für mich, irgendwann zu akzeptieren, dass ich damit leben muss. Mir selbst zu sagen: Diese ganzen Krisen sind so groß und überwältigend, dass es kein Wunder und auch in Ordnung ist, dass ich mich manchmal ohnmächtig fühle. Ich sage dann auch in der Gruppe: Diese Woche bin ich mal raus, ich habe gerade keine Energie. Und das wird auch akzeptiert, denn jede*r von uns kennt diese pessimistischen Zeiten, die Tage der Ohnmacht.
K.v.B.: Das Geheimnis im Umgang mit diesen Gefühlen ist, dass man ihnen auch mal Raum gibt. Denn leider gibt es ja nicht die Möglichkeit, das Problem zu lösen und sich wieder gut zu fühlen. Bei den heutigen chronischen Krisen sind die Probleme zu groß, als dass wir sie als Einzelperson bewältigen können.
Ich sage immer, Gefühlesind wie ein Feuer und das Holz sind die Gedanken. Im besten Fall schaffen wir es, dem Feuer dabei zuzuschauen, wie es runter brennt und legen nicht noch Holzscheite nach, indem wir es immer weiter mit Katastrophengedanken anfachen. Es geht wirklich darum, wahrzunehmen, wie sich der Kloß im Hals oder der Stein im Magen anfühlt. Es hilft auch, mit anderen darüber zu reden und gemeinsam zu akzeptieren, dass es gerade nicht schön ist. Dann gehen diese Gefühle vorbei, das Feuer brennt runter – und wenn alles gut läuft, schafft man es dann, sich aufzurappeln und wieder aktiv zu werden.
Frau van Bronswijk, in Ihrem Buch »Klima im Kopf« ist auch viel von Selbstfürsorge die Rede, um sich als Aktivist*in vor Überforderung zu schützen. Warum halten Sie das für so wichtig?
K.v.B.: Es gibt unglaublich viele Menschen, die sich engagieren und kein Ende mehr finden, weil die Krisen ja auch kein Ende haben. Es ist aber wichtig, uns bewusst zu machen, dass wir uns in einer Zeit der Krisenpermanenz befinden. In diesem Jahrhundert werden wir keine Zeiten ohne Krisen mehr haben. Und das halten wir nur durch, wenn wir unsere Kräfte einteilen.
Activist Burnout ist die größte Bedrohung für soziale und Umweltbewegungen. Nicht nur, weil es das Leben der Betroffenen kaputt macht, wenn sie in ein Loch stürzen und depressiv werden. Sondern auch, weil den Bewegungen Menschen wegbrechen und Wissen verloren geht. Dann müssen Strategien wieder neu erarbeitet und Debatten neu geführt werden, weil die Leute, die diese Erfahrung schon haben, wegfallen. Das bremst natürlich den Wandel total aus. Es ist also nicht nur eine persönliche Frage, sondern auch eine Verantwortung gegenüber der Bewegung, dass wir gut auf uns aufpassen. Wir müssen unsere eigenen Grenzen erkennen, akzeptieren und unsere eigene Rolle finden.
Die »Wir haben es satt!«-Demo in Berlin |
Nelia, kennst Du das Gefühl der Überforderung? Gibt es auch bei der Slow Food Youth Leute, die an ihre Grenzen kommen oder die aufhören müssen, weil sie nicht mehr können?
N.H.: Wir hatten auch bei uns schon Leute, die sich zurückgezogen haben, weil sie zu viel gemacht und andere Bereiche ihres Lebens zu sehr vernachlässigt haben. Aber ich denke, dass wir bei der Slow Food Youth und besonders im Leitungsteam aufeinander aufpassen und versuchen, die Balance zu halten. Wenn wir uns treffen, erzählen wir erst einmal, wie es uns gerade geht. Es ist wichtig und schön, nicht direkt in die Planung zu gehen, sondern vor allem als Mensch wahrgenommen zu werden. Mir passiert es zum Beispiel, dass ich anfangs erzähle, dass ich richtig viel zu tun habe und keine weiteren Aufgaben übernehmen kann. Dann finde ich manches doch so wichtig, dass ich es noch übernehmen würde – aber die Gruppe achtet mit darauf, dass ich es nicht tue.
Zur Selbstfürsorge gehört für mich aber auch, solche Grenzen bei sich selbst zu akzeptieren. Wenn ich persönlich oder wir als Gruppe merken, das schaffe ich oder das schaffen wir gerade nicht, dann ist das auch in Ordnung. Wir machen so viel, wie wir können, aber wir dürfen uns nicht daran messen, ob wir alles geschafft haben oder nicht. Das ist für mich gesunder Aktivismus. Aktionen sind wichtig und notwendig, aber wir müssen auch das Leben genießen und schöne Momente sammeln.
Ein Kapitel in Ihrem Buch, Frau van Bronswijk, heißt »›I have a dream‹ statt ›I have a nightmare‹«. Macht nur die Zuversicht uns handlungsfähig? Oder können auch negative Gefühle uns anspornen?
K.v.B.: Ich glaube, es braucht beides. Es braucht den Antrieb, dass wir Dinge verhindern wollen und es braucht dieAnziehungskraft von Alternativen. Wir müssen uns die Alternativen vorstellen können, denn wenn wir nicht wissen, wohin wir wollen, dann hat die Transformation keine Entwicklungsrichtung. Stellen Sie sich vor, Sie steigen ins Taxi und sagen dem Fahrer: »Fahren Sie mich nicht zum Hauptbahnhof «. Das ist das, was wir gerade machen. Wir sagen, was wir nicht wollen. Wir wollen kein Artensterben, keine Klimakrise, keine soziale Ungleichheit und vieles mehr.
Aber die Frage ist ja auch: Was ist die Alternative, wo wollen wir denn eigentlich hin? Wenn wir keine Entwicklungsrichtung kennen, wenn wir keine Vision haben, wenn wir keinen Traum formulieren, dann wissen wir nicht, wo wir hin wollen. Es braucht den Antrieb durch die positiven Vorstellungen und die an genehmen Emotionen. Deshalb brauchen wir auch die Zuversicht, dass wir das erreichen können und dass es schön werden kann.
N.H.: Wenn ich meine Gefühle analysiere, dann liegt darunter eigentlich die Wut und die gibt mir viel Kraft, auf die Straße zu gehen und von der Politik und der Industrie Veränderungen zu fordern. Aber ich sehe es auch als ganz wichtig an, dass wir Utopien formulieren: Wie wollen wir es denn haben, wie soll es in der Zukunft aussehen? Das Konzeptwerk Neue Ökonomie hat sich damit in einem Kongress tagelang auseinandergesetzt und eine Broschüre herausgebracht. Manchmal blättere ich da einfach durch, um genau daran wieder zu denken: Wie soll es in ein paar Jahren aussehen, wie wollen wir die Gesellschaft denn gestalten?
Wie können wir so viele positive Veränderungen wie möglich zu erreichen? Macht es Sinn, bei sich selbst anzufangen und damit anderen zu zeigen, was alles geht? Oder sind andere Wege sinnvoller?
K.v.B.: Es macht schon Sinn, auch wenn ich die Tendenz der Individualisierung kritisiere. Es ist ein riesiges Problem, dass wir die Klimakrise so darstellen, als ob jeder Einzelne nur sein Verhalten verändern und seinen CO2-Fußabdruck drastisch reduzieren muss und dann ist es gewuppt. Genau das stimmt eben nicht. Wir stecken alle zusammen in der gleichen Krise und wir können das Problem auch nur gemeinsam lösen. Wir müssen die Kontexte verändern und wir müssen zusammen aktiv werden.
Auf der anderen Seite ist man aber auch Vorbild, wenn man sein eigenes Konsumverhalten ändert. Das schafft ein neues Denken darüber, was richtig und was falsch ist. In der Werbung zum Beispiel ist Nachhaltigkeit heute ein Verkaufsargument, vor 20 Jahren hätte damit niemand argumentiert. Individuelles Verhalten kann also langfristig gesellschaftliche Auswirkungen haben. Aber es reicht halt nicht. Und wir müssen jetzt schneller voran kommen. Wir haben nicht mehr den Luxus, Zeit zu haben.
N.H.: Ich finde es wichtig, dass wir uns nicht zu fertig machen auf der individuellen Ebene. Auch beim Thema Lebensmittel kann man ja manchmal verzweifeln. Da stehst du vor dem Regal und müsstest dir eigentlich jede Deklaration durchlesen und abwägen: Okay, hier ist jetzt Palmöl drin, mit dem anderen Produkt nimmst du aber Tierleid in Kauf. Es ist natürlich wichtig, dass wir uns Gedanken machen und überlegen, was wir grundsätzlich wollen. Aber bei jedem Detail nach dem Ideal zu streben? Damit nehmen wir uns so viel Energie, die wir eigentlich brauchen, um mit Aktionen und Demonstrationen einzufordern, dass sich vor allem die Rahmenbedingungen ändern müssen.
Und wie gehen wir damit um, wenn sich zu wenig tut, wenn wichtige Schritte immer wieder verschoben werden?
K.v.B.: Wir sollten zwar auf Ziele hinarbeiten, uns aber nicht zu sehr an einzelnen Zielmarken festbeißen. Wir sollten ganz klar sagen: Egal, ob wir das erreichen oder nicht, davon mache ich mich nicht abhängig, sondern ich handele richtig, weil es richtig ist. Wie man mit der Klimakrise umgeht, bricht sich für mich auf diese eine Frage herunter: Wer will ich gewesen sein im Anthropozän