Jugend und Klimawandel

»Es müssen nicht lauter Greta Thunbergs heranwachsen«

Tim Schulze hat mit »In Zukunft hitzefrei?« ein Erklärbuch zum Klimawandel speziell für Jugendliche geschrieben. Worauf es ihm dabei ankam und was er sich von der jüngeren Generation erhofft, erzählt er Online-Redakteurin Sonja Bonneß im Interview. Ein Gespräch über Verantwortung und warum nicht jede*r eine Greta Thunberg sein muss.

17.08.2020

»Es müssen nicht lauter Greta Thunbergs heranwachsen« | Klimawandel Jugendbuch Fridays for Future

Sonja Bonneß: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Jugendbuch zum Klimawandel zu schreiben?

Tim Schulze: Zunächst fing es damit an, dass meine Kinder langsam in ein Alter kommen, in dem sie sich für das Thema interessieren. Daher habe ich überlegt, wie man Kindern und Jugendlichen dieses komplexe Thema in einer übersichtlichen, verständlichen, aber nicht zu einfachen Form vermitteln könnte. Mein Eindruck war, dass es das in dieser Form noch nicht gibt. Es gibt vieles für Erwachsene und es gibt Kinderbücher, die sich mit Nachhaltigkeit und zum Teil auch Klimaschutz beschäftigen, aber in einer Art und Weise, die doch sehr vereinfacht. Ich fand, dass es dazwischen eine Lücke gibt.

Es ist schließlich so, dass der Generation, die jetzt aufwächst, eine ganz wichtige Rolle in der Bekämpfung des Klimawandels zukommt. Wir haben nur noch eine Generation Zeit, um all die Weichenstellungen einzuleiten, die es braucht. Und weder Deutschland noch der Rest der Welt sind da bisher auf einem guten Weg. Daher denke ich, dass diese Generation überhaupt nicht darum herum kommt, sich mit diesem Thema zu befassen.

Also habe ich einfach angefangen zu schreiben. Ich bin ja Erstautor, abgesehen von wissenschaftlichen Publikationen, aber das Schreiben ging ganz flott. Ich hatte eine ziemlich genaue Idee davon, wie das Buch aufgebaut werden sollte. Die Herausforderungen lagen dann vor allem darin, den Text jugendgerecht zu gestalten und die Illustrationen reinzubringen.

Die Illustrationen und Cartoons hat dann Bastian Klamke gezeichnet. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Ich hatte früh den Eindruck, dass man ein Buch für Kinder und Jugendliche reich illustrieren müsste, um einen einfachen Zugang zu schaffen und auch die Informationen zu strukturieren. Aber wie verpackt man all die Details, etwa das komplexe Zusammenwirken von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft? Da sind Comics eine gute Möglichkeit, das auch mal ein bisschen augenzwinkernd rüberzubringen.

Ich hatte mich mit einem Freund, der Journalist und Hobby-Grafiker ist, schon früh zusammengesetzt und überlegt, wie man das angehen könnte. Insofern hatte ich eine Idee im Kopf, ein grobes Konzept, aber keine Möglichkeit, es selber umzusetzen. Und Bastian Klamke ist interessanterweise ein Nachbar, dessen Hobby es schon lange ist, Comics zu zeichnen und zu illustrieren, was er irgendwann zu einer zweiten Profession gemacht hat. Wir haben irgendwann am Gartenzaun darüber gesprochen und ich habe erfahren, dass ihn das Thema sehr interessiert. Und so sind wir zusammengekommen! Er hat sich mächtig reingehängt – ich glaube, für ihn war es auch ein Herzensprojekt.

Gab es Dinge, die sie selber durch das Schreiben des Buches besser verstanden haben?

Was mich sehr beschäftigt hat beim Schreiben und eigentlich immer noch beschäftigt, ist die Grundfrage »Wer ist eigentlich in erster Linie aufgefordert, etwas zu tun und zu ändern?« Ist es vor allem die Politik, die etwas tun muss, oder sind es doch eher wir alle zusammen, in unserem Alltag?

Persönlich denke ich, die Antwort ist ein sowohl als auch. Es banalisiert das Problem, wenn man es zu schnell ins Private verschiebt oder die Verantwortung allein den Bürger*innen und Verbraucher*innen zuweist. Andererseits sind es eben auch wir, die über unsere Verhältnisse leben, wenn man es im Weltvergleich anschaut. Aber man darf die Politik da auf keinen Fall aus der Verantwortung lassen, noch viel klarer, engagierter und an vielen Stellen auch schärfer an das ranzugehen, was wir da vor uns haben.

Dann gab es auch Wirtschaftsbereiche, mit denen ich mich vorher nicht so stark beschäftigt hatte. Ich habe in der Photovoltaik promoviert, hatte mich mit Verkehr und Gebäuden schon tiefer beschäftigt, aber Landwirtschaft und Ernährung war zum Beispiel ein Feld, worüber ich noch nicht so viel wusste. Ich fand es sehr spannend, mich da einzulesen – und an vielen Stellen auch schockierend, wie die Strukturen eigentlich dort sind.

Der Klimawandel wird häufig als Generationenkonflikt positioniert. Sehen Sie das ebenso?

Das Wort Generationenkonflikt wäre mir zu scharf. Aber man kann schon feststellen, dass wir notwendige Aktionen in die Zukunft verschieben, indem wir im Jetzt zu wenig tun. Das ist etwas, was schon seit Jahrzehnten so ist. Ich habe vor ungefähr 20 Jahren angefangen, mich für Klimathemen zu interessieren. Und wenn man zurückschaut, sind die Prognosen seitdem immer nur düsterer geworden. Wir haben es nicht geschafft, einen Pfad anzupeilen, der uns in eine günstige Zukunft führt, sondern eigentlich ist der Weg, auf dem wir uns bewegen, immer die Worst-Case-Annahme von vor zehn Jahren.

Insofern muss man schon sagen, dass wir der zukünftigen Generation viel aufbürden. Wir schulden es ihr eigentlich, das Problem deutlich beherzter anzugehen. Zumal im technischen Bereich viele Lösungen längst da sind. Was fehlt ist der Wille, auch eine größere Transformation anzustoßen mit allem, was da dranhängt – auch gesellschaftliche Herausforderungen, die man eben angehen muss. Ich würde sagen, es ist kein Generationenkonflikt, aber es ist schon ein Verschieben von Verantwortung und auch Folgen in Richtung der Jüngeren. Insofern finde ich es völlig richtig, dass sie jetzt mit Nachdruck die Stimme erhoben haben und hoffe, dass ihr Engagement nicht durch die Coronakrise gebremst wird.

Was kann jeder von uns beitragen, um den Klimawandel noch zu begrenzen? Gibt Ihr Buch dazu konkrete Tipps?

Leider sind die Lösungen ebenso komplex wie das Problem. Wenn es die eine Zauberaktion gäbe, dann wären wir wahrscheinlich nicht da, wo wir sind. Wir Erwachsenen würden gut daran tun, Gewohnheiten zu hinterfragen. Ich habe das Gefühl, es ist das Prinzip »Es kann nicht sein, was nicht sein darf«. Ich kaufe zwar im Bioladen, aber möchte dann doch noch mit dem Flieger in den Süden in den Sommerurlaub – und mache mir nicht bewusst, in welchen Verhältnissen die Wirkungen jeweils stehen.

Für die Jüngeren kam es mir mit dem Buch besonders darauf an, die Grundlagen und die Zusammenhänge so darzustellen, dass so etwas wie ein Handwerkszeug entsteht – ein Handbuch, das man nehmen kann, um das Problem in seiner Gesamtheit verstehen zu können. Eigentlich geht es mir um Mündigkeit, auch wenn der Begriff vielleicht etwas altbacken ist. Ich hoffe, dass gerade die jüngeren Leser*innen einen guten Überblick bekommen, um dann zu überlegen, in welchen Bereichen sie tätig werden möchten – in Umweltschutzverbänden zu wirken, auf die Straße zu gehen und so weiter. Gleiches gilt auch für den Alltag: Die Jüngeren fahren beispielsweise noch keine eigenen Autos, aber wenn der Moment ansteht, sich eins zu kaufen, erinnern sie sich vielleicht und treffen die richtigen Entscheidungen. Das Buch soll die Fakten vermitteln, die notwendig sind, um selbst die Entscheidung zu treffen, wo und wie man aktiv werden will.

Was sind Ihre Wünsche für die jüngere Generation?

Ich wünsche Ihnen zum einen, dass sie gehört werden in ihren validen Anliegen, die sie ja zum Glück schon lautstark und selbstbewusst vortragen. Und dass diese Anliegen mit Ernsthaftigkeit berücksichtigt werden in dem, was politisch entschieden wird. Und ich wünsche Ihnen, dass sich das Bewusstsein für das Problem und seine ganze Größe und Komplexität in ihrer Generation so tief und breit verankert, dass sie zu diesen mutigen Schritten finden können, zu denen wir offensichtlich noch nicht bereit sind. Darin liegt, glaube ich, die eigentliche Generationenaufgabe. Nicht, dass jetzt lauter Greta Thunbergs heranwachsen – auch das würde nicht schaden, aber das kann man nicht erwarten. Sondern dass eine Generation heranwächst, die sich des Problems voll bewusst ist und weiß, jede*r muss etwas dagegen tun. Und die auch im Alltag und im Kleinen bereit ist, die Weichen immer wieder in die richtige Richtung zu stellen.

Haben Sie den Eindruck, dass das momentan passiert?

Ich bin fasziniert gewesen von dieser Entwicklung. Wenn man selber gerade dabei ist, sich sehr tief mit Klimawandel und Nachhaltigkeit zu beschäftigen, dann ist es toll zu sehen, wie parallel dazu eine globale Jugendbewegung entsteht. Zum einen hat man das Gefühl, auf dem richtigen Pfad zu sein, zum anderen sieht man auch, dass da eine Basis entsteht. Ich bin guter Hoffnung, denn ich glaube, es wird kaum einen Jugendlichen oder eine Jugendliche geben, denen das in den letzten ein bis zwei Jahren entgangen ist. Insofern hoffe ich, dass bereits ein Interesse geweckt worden ist, in das Thema noch tiefer einzusteigen. Und dazu könnte »In Zukunft hitzefrei?« einen Beitrag leisten.

Alles zum Buch 

Das Jugendbuch zum Klimawandel

Die Welt wird heißer und die Diskussionen darüber auch. Wie konnte es dazu kommen? Was können wir tun? Was müssen wir sein lassen?

Die heute Jugendlichen gehören zur letzten Generation, ...   

Mehr über unseren Autor 

Tim Schulze, geboren 1979, ist Ingenieur und Physiker und befasst sich beruflich schon lange mit Themen des Klimaschutzes. Weil er findet, dass man den Klimawandel verstehen muss, um ihn zu bekämpfen, hat er das Jugendbuch »In Zukunft hitzefrei?

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