Nachruf

In Erinnerung an Silke Helfrich

Der oekom verlag trauert um seine Autorin Silke Helfrich. Die scharfsinnige und engagierte Commons-Expertin starb unerwartet am 10. November 2021. Ein Nachruf von Christa Müller aus der politischen ökologie 167.

10.12.2021

In Erinnerung an Silke Helfrich | Commons Commoning Gemeingüter

Frei, fair und lebendig

Frei, fair und lebendig: So lautet der Titel ihres letzten Buches. Und genau so hat Silke Helfrich gelebt. Vermutlich deshalb war auch mein erster Gedanke, als ich von ihrem tödlichen Bergunfall am 10. November 2021 erfuhr: Die unermüdliche Silke? Das kann nicht sein. Immer sprühend vor Ideen, immer neugierig, der Welt so zugewandt wie kaum eine andere. Der Tod, der sie zwischen zwei Terminen in den Liechtensteiner Alpen buchstäblich ereilte, riss sie aus einem energiegeladenen Leben, das seinen Anfang 1967 in einem thüringischen Dorf nahm.

An der Karl-Marx-Universität Leipzig studierte sie romanische Sprachen und Sozialwissenschaften. Nach der »Wende« baute Silke Helfrich zunächst die Landesstiftung Thüringen der Heinrich-Böll-Stiftung auf. 1999 ging sie – erneut in Leitungsposition – für die Grünen-nahe Parteistiftung nach El Salvador. Nach fünf weiteren Jahren, in denen sie sich mit zahlreichen mittelamerikanischen sozialen und ökologischen Bewegungen vernetzte und verbündete, zog sie als Gründungsdirektorin ins Regionalbüro Mexiko und Karibik der Böll-Stiftung nach Mexiko-Stadt.

Die Konfrontation mit der Privatisierung und Einhegung von Gemeingütern im Globalen Süden wurde für Silkes Engagement in der weltweiten Commons-Bewegung und -Forschung richtungsweisend: der alltägliche Kampf der Menschen um Zugang zu sauberem Wasser, Land und patentfreiem Saatgut sowie die Wertschätzung indigenen Subsistenzwissens – aber auch der Erhalt eines freien Internets als Wissensallmende und einen der wenigen kommerzfreien Räume im Netz.

Silke Helfrich stand mit ihrem Denken und Tun ganz in der Tradition der Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom, die für ihre wegweisenden Arbeiten über Gemeingüter und deren Erhalt als erste Frau mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde. Silke Helfrich hat 2011 zentrale Texte von Elinor Ostrom erstmals einem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht (vgl. Absatz am Artikelende).

Commons entstehen durch Commoning

Silke Helfrich und ihr Co-Autor David Bollier sehen in Commons weniger so etwas wie Allmendeweiden, als primär „lebendige soziale Strukturen, in denen Menschen ihre gemeinsamen Probleme in selbstorganisierter Art und Weise angehen. Leider werden sie häufig als Ressourcen beschrieben, die niemandem gehören – etwa Meere, das Weltall und der Mond – oder die sich in Gemeinschaftseigentum befinden – Wasser, Wälder und Land. ...“ [1]

Die Suche nach Alternativen zu Markt und Staat prägte das Schaffen von Silke Helfrich. Das Buch „Commons. Jenseits von Markt und Staat“ erschien 2012 als Sammelband mit Beiträgen aus aller Welt im transcript Verlag. Für Silke Helfrich war es selbstverständlich, dass das Buch ebenso wie der 2015 erschienene Nachfolgeband „Commons. Muster gemeinsamen Handelns“ mit CreativeCommons-Lizenz versehen ist zum freien Download. Da aber auch Verlage Kosten haben, entstanden auch hier wieder neue editorische Kooperationsformen, die den Gedanken des Commoning weiter in die Welt tragen.

Als Mitgründerin der Commons Strategic Group und des Commons Institut e. V. umspannte ihr Aktionsradius transnationale Vernetzungen, das Anregen von Commons-Public-Partnerships [2] sowie teilnehmende Beobachtung von kollektiven Praxen des solidarischen Wirtschaftens vor Ort, für deren Funktionsweisen und Empirien sie sich in aktionsforschender Manier interessierte. Silke war überzeugt davon, dass „der Kapitalismus verlernbar ist“.

Dass nun die Deutsche Forschungsgemeinschaft einen großen und auf lange Linien angelegten Sonderforschungsbereich zum Thema „Strukturwandel des Eigentums“ an der Universität Jena unter Leitung von Hartmut Rosa fördert, hätte Silke Helfrich sehr gefreut. Sie wäre sicherlich als Commons-Expertin, internationale Vernetzerin und Beraterin gefragt gewesen. Sie fehlt.

Mehr: Silke Helfrichs letzten Artikel aus der politischen ökologie 166 lesen sie hier: »Commoning als Resilienzstrategie: Frei, fair und lebendig«


Anmerkungen

1 Helfrich, S. / Bollier, D. (2019): Frei, fair und lebendig. Die Macht der Commons. Bielefeld, S. 20.

2 "Commons Public Partnerships oder: Was aus öffentlichen Duschen werden kann (2/2)" auf commons.blog >>

Wir nehmen Abschied

Silke Helfrich hat das Programm des oekom verlags durch ihre klugen Texte in unseren Büchern und Zeitschriften sowie ihr Engagement für die Gemeingüter bereichert. Sie war eine selbstbewusste Autorin, die für ihr Herzensthema brannte und mitreißend, aber bestimmt – bis in die Syntax hinein – kämpfte. Ihr verdanken wir unter anderem das geistige Erbe von Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom in deutscher Sprache. Als scharfsinnige Autorin wird sie uns fehlen, ihre Texte und eindrücklichen Appelle für all das, was mehr wird, wenn wir es gerecht teilen, bleiben jedoch und hallen nach.

– oekom verlag

Mehr zur Person 

Silke Helfrich (1967-2021) studierte romanische Sprachen und Pädagogik. Sie galt als die Expertin zum Thema Gemeingüter in Deutschland.

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