Moorschutz – eine Einführung
Moore sind Multitalente: effektive Kohlenstoffspeicher, Nieren der Landschaft, Biodiversitäts-Hotspots – jedoch nur, solange sie nass sind. Entwässert mutieren sie zu Treibhausgasschleudern. Obwohl Moore inzwischen mehr politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit erhalten, ist der Weg zu einem vernünftigen Schutz noch weit und steinig, aber machbar. Von Greta Gaudig und Michael Succow aus der politischen ökologie 169.
12.07.2022
Gemeinsam kann's gelingen
Die meisten unserer Moore sind entwässert, um Torf als Brennmaterial und Substratrohstoff abzubauen und insbesondere um sie land- und forstwirtschaftlich zu nutzen. Die »Urbarmachung« dieser Landschaften war eine große Errungenschaft unserer Vorfahren, heute liefern die Moore oft Milch und Mais.
Allerdings sind entwässerte Moore häufig Monokulturen, die Unmengen von Treibhausgasen emittieren. In Zeiten des menschengemachten Klimawandels ist Moorentwässerung ein Teil des Problems und nicht zukunftsfähig! Die Wiedervernässung der Moore ist ein bedeutender Beitrag, um dem Klimawandel mit naturbasierten Lösungen entgegenzuwirken. Die Umsetzung erfordert jedoch eine enorme Kraftanstrengung und geht nur zusammen mit allen Akteur*innen aus Politik, Land- und Wasserwirtschaft sowie Naturschutz, gemeinsam mit der Wissenschaft.
Moore entstehen in Landschaften mit Wasserüberschuss. Die Pflanzen, die hier wachsen und absterben, werden nur unvollständig zersetzt. Es entsteht Torf. Über die Jahrtausende sind so viele Meter mächtige Torfmoore entstanden oder haben Senken gefüllt. Das Kohlenstoffgerüst der Moorpflanzen wird zu Torf, wobei ein Teil des in den Pflanzen gebundenen Kohlenstoffs langfristig der Atmosphäre entzogen und gespeichert wird – jedoch nur, solange die Moore voll wassergesättigt sind.
Die Gesamtfläche der organischen Böden (zumeist Moore) in Deutschland beträgt circa 1.840.000 Hektar (ha), das sind etwa fünf Prozent der Landfläche. Sie enthalten etwa 1,3 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in den obersten zwei Metern Torf. Von der Gesamtfläche organischer Böden in Deutschland werden derzeit über 90 Prozent weiterhin entwässert und sind mehr oder weniger in Nutzung. Dabei handelt es sich um 380.000 ha (21 %) für Ackerbau, 1.100.000 ha (60 %) Grünland, 20.000 ha (1 %) für den Torfabbau und weitere Flächen für die Forstwirtschaft, Siedlungen und den Verkehr. Nur circa vier Prozent der organischen Böden in Deutschland sind im naturnahen Zustand.
Weltweit nehmen Moore nur drei Prozent der gesamten Landfläche unserer Erde ein. Dabei speichern sie jedoch ein Drittel der auf den Landflächen gebundenen Kohlenstoffvorräte. Das sind schätzungsweise 600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff und damit doppelt so viel wie in der Waldbiomasse auf 30 Prozent der Landfläche der Erde. Etwa zehn bis 15 Prozent der Moore weltweit sind entwässert.
Folgen der entwässerungsbasierten Moornutzung
Jedwede Form der Entwässerung von Mooren führt zu einer Belüftung der organischen Substanz und damit Oxidation und Freisetzung des Kohlenstoffs in Form von Kohlendioxid (CO2). Je tiefer der Wasserstand unter der Geländeoberkante sinkt, desto mehr Sauerstoff kann in den Torfkörper eindringen und desto mehr CO2 wird freigesetzt, das Moor schrumpft.
Die entwässerten Moore Deutschlands verursachen derzeit jährlich 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (t CO2-Äq.), das sind sieben Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland. In der EU und weltweit liegt dieser Anteil bei etwa fünf Prozent. Damit erzeugen Moore als relativ kleine Landflächen sehr hohe Emissionen. Mit einem Anteil von sieben Prozent an der landwirtschaftlich genutzten Fläche verursachen sie in Deutschland 37 Prozent aller landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen. In der EU nehmen die Moore nur drei Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ein, erzeugen aber 25 Prozent der Emissionen.
Neben erheblichen Treibhausgasemissionen hat die Moorentwässerung auch eine Vielzahl weiterer ökologischer Schäden zur Folge. Hier ist zuerst der Moorschwund und damit insbesondere der Höhenverlust zu nennen, der in unseren Breiten bei intensiver Entwässerung und Landnutzung jährlich durchschnittlich ein bis zwei Zentimeter beträgt, im Laufe eines Menschenlebens (80 Jahre) also 80 Zentimeter bis 1,6 Meter.
Insbesondere in Küstenbereichen, wo Moorflächen teilweise bereits unter dem Meeresspiegel liegen, führt das zur Zunahme von Hochwassergefahr, steigenden Kosten für den Hochwasserschutz und stärkerem Eindringen von Meerwasser in Grundwasserleiter, verstärkt durch die zunehmend trockenere Vegetationsperiode und den Meeresspiegelanstieg infolge des Klimawandels.
Moorentwässerung führt zu veränderten bodenphysikalischen und bodenchemischen Eigenschaften. Durch Sackung, Schrumpfung und Mineralisierung verlieren diese Standorte die Eigenschaft, sich bei Wasseranfall auszudehnen und Wasser zurückzuhalten, sie verlieren ihren schwammsumpfigen Charakter. Der Wasserverlust in der Landschaft, der gerade in häufiger werdenden trockenen Jahren hochrelevant ist, hat Auswirkungen auf die Trinkwasserbereitstellung und den Fortbestand grundwassergespeister Moore. Mit der Entwässerung werden die Oberböden zu Stauschichten, Niederschläge können kaum noch versickern, es bildet sich Staunässe.
Ein weiteres Umweltproblem ist die Gewässerbelastung als Folge der Stickstoffmineralisierung im oxidierenden Torf, intensiver Düngung und Auswaschung von Nährstoffen in Oberflächengewässer. Mit der Entwässerung von Mooren und der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung ist die einstige Lebensfülle wachsender Moore weitestgehend verschwunden, hochspezialisierte Moorarten sind ausgestorben oder stark gefährdet.
Zudem hat die Entwässerung von Mooren erhebliche ökonomische Auswirkungen. Sie verursacht dauerhafte Kosten für den Erhalt, Betrieb und Neubau von Gräben, Dränagesystemen, Schöpfwerken, Pumpen und Deichen. Auf der anderen Seite werden die enormen Umweltschäden als Folge von Moorbodenentwässerung derzeit nicht nur toleriert, sondern durch umfangreiche Transferzahlungen im Rahmen der EU-Agrarförderung (ca. 410 Millionen Euro EU-Direktzahlungen) für Landnutzung auf entwässerten Mooren sogar noch unterstützt. Damit werden Anreize zur weiteren Freisetzung von CO2 aus entwässerten Moorböden gesetzt – anstatt die Minderung von Treibhausgasemissionen zu fördern.
Die Klimafolgekosten der derzeitigen entwässerungsbasierten landwirtschaftlichen Moorbodennutzung in Deutschland belaufen sich auf jährlich 7,2 Milliarden Euro (basierend auf 180 Euro pro Tonne CO2). Diese Summe entspricht der Nettowertschöpfung der gesamten deutschen Landwirtschaft im Jahr 2018. Moorbodenschutz ist somit nicht nur für den Klimaschutz sinnvoll, sondern auch volkswirtschaftlich angebracht.
Die Lösung: Wiedervernässung
Die Emissionen aus entwässerten Mooren lassen sich relativ leicht reduzieren, indem durch Stopp der Entwässerungen und möglichst dauerhafte Anhebung des Grundwasserspiegels der Torfkörper wieder eine volle Wassersättigung erhält. Seit den 1980er-Jahren werden in Deutschland Moore wiedervernässt, bisher sind es circa 70.000 Hektar.
In den überwiegenden Fällen wurden damit Naturschutzziele verfolgt, seit Anfang des 21. Jahrhunderts in zunehmendem Maße auch Klimaschutzziele. Aufgrund der Bodenverdichtung, Nährstoffverhältnisse, Wasserhaushaltsgegebenheiten und des nur eingeschränkt noch vorhandenen Artenspektrums ist die Wiederherstellung einstiger Zustände zumindest über die nächsten Jahrzehnte nur sehr selten zu erwarten.
Die Eutrophierung unserer Gesamtlandschaft erfordert ein möglichst jährliches Abernten der aufwachsenden Biomasse (Aushagerung). Wird die oberirdische Biomasse in wiedervernässten Mooren abgeschöpft und stofflich oder energetisch genutzt, spricht man von Paludikultur – abgeleitet vom lateinischen Wort palus (Sumpf, Morast).
Die Notwendigkeit einer Umstellung von entwässerungsbasierter auf eine »nasse« Landwirtschaft wird zunehmend erkannt, verursacht bei den Landwirt*innen aber große Unsicherheit: Sie befürchten einen Werteverlust ihrer Flächen, Einkommenseinbußen, Fehlinvestitionen. Deshalb ist klar, die derzeitigen Bewirtschafter*innen entwässerter Moorböden dürfen bei der Umstellung auf Paludikultur nicht alleingelassen werden – ebenso wie früher die Entwässerung der Moore braucht heute die Paludikultur eine breite gesellschaftliche Anstrengung und direkte finanzielle Unterstützung.
Es gibt bereits einige Leuchtturmprojekte, die die Machbarkeit von Paludikultur und die Nutzung der produzierten Biomasse eindrücklich zeigen, zum Beispiel ein sogenanntes Tiny House aus Paludikultur-Material oder die toMOO-Row-Initiative. Zur Realisierung der Potenziale von Paludikultur bedarf es jedoch vieler weiterer Beispiele sowie begleitende Forschung. Seit Kurzem wächst das Engagement der Länder. Auch der Bund fördert seit 2021 großflächige Paludikultur-Pilotvorhaben in mehreren Bundesländern für zehn Jahre.
In Deutschland gibt es aufgrund der föderalen Struktur bisher kein nationales Moorschutzprogramm, das Thema Moorschutz findet jedoch auch in der Politik immer mehr Beachtung. Die neue Moorschutzstrategie des Bundesumweltministeriums sowie die Zielvereinbarung zwischen Bund und Ländern zum Moorbodenschutz und das geplante Aktionsprogramm »Natürlicher Klimaschutz« sind aktuell wichtige Schritte, die Umsetzung von Moorschutz voranzutreiben.
Zudem gibt es auf Länderebene Moorschutzprogramme und Förderrichtlinien. Aufgrund der zumeist landwirtschaftlichen Nutzung der Moore nehmen auch die EU-Agrarförderungen Einfluss. Die Neuausrichtung der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) ab 2023 muss zur Transformation hin zu einer torferhaltenden Bewirtschaftung durch Paludikultur beitragen.
Angesichts der Herausforderung einer flächenwirksamen Umsetzung sind zum einen ein breit aufgestellter Instrumentenkasten und zum anderen eine optimale Verknüpfung der verschiedenen Finanzierungsquellen von Landes-, Bundes- und EU-Ebene erforderlich, um eine optimierte Gesamtwirksamkeit zu entfalten.
Hemmnisse, Herausforderungen und Hoffnungsschimmer
Das Ziel des Pariser Klimaabkommens (2015), den Temperaturanstieg auf möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, muss eine grundlegende Änderung der Wirtschaftsweisen in allen Sektoren nach sich ziehen. Wegen ihrer disproportional hohen Treibhausgasemissionen sollten land- und forstwirtschaftlich genutzte Moorböden besonders schnell wiedervernässt werden, um die Reduktionsziele überhaupt erreichen zu können. Zugleich liefert Moorwiedervernässung vielfältigen Zusatznutzen für die Gesellschaft in Form ökologischer Leistungen.
Moore haben das Potenzial, als naturbasierte Lösung dem Klimawandel entgegenzuwirken und zur Erreichung weiterer Umweltziele wie etwa Biodiversitäts- und Gewässerschutz beizutragen. Das Erreichen der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens ist ohne die Revitalisierung der Moore nicht möglich.
Die für die Wiedervernässung der Moore notwendige Anhebung der Wasserstände erfordert große technische, ökonomische und soziale Anstrengungen. Angesichts der anthropogen bedingten hohen Nährstoffflüsse und Stoffumsetzungsprozesse, der Oberbodendegradierung, geringerem Niederschlag und längerer Trockenphasen sowie verringerter Grundwasserneubildung unter intensiv genutzten Ackerstandorten und Kunstforsten mit Koniferen, wird der Fortbestand naturnaher Moore und die Wiedervernässung entwässerter Moore erschwert, bleibt aber dennoch notwendig.
Dabei hilft ein räumlich differenzierter, partizipatorisch entwickelter Transformationspfad, der als Vorschlag für Deutschland ausgearbeitet vorliegt. (1) Ein solcher Pfad kann Planungssicherheit schaffen und Zwischenziele festlegen, die adaptiv zu erreichen und von physischen Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Möglichkeiten geprägt sind.
Eine Vielzahl von Maßnahmen muss in verschiedenen Gesellschaftsbereichen von unterschiedlichsten Akteuren in Kooperation umgesetzt werden. Dabei ist integratives Denken zentral: Moore müssen als Ganzes gedacht werden; Mensch und Moor sind eine kaum trennbare Einheit.
Eine besondere Aufgabe besteht für die Landwirtschaft. Wo wasserwirtschaftliche, sozioökonomische und naturschutzfachliche Rahmenbedingungen dies erlauben, ist die Moorbewirtschaftung baldmöglichst auf Paludikultur umzustellen. In den letzten Jahren haben Projekte praxisreife und ökonomisch vielversprechende Verfahren zu einer torferhaltenden Moornutzung aufgezeigt. Sie müssen nun auf großer Fläche umgesetzt werden.
Notwendig für eine großflächige Moorwiedervernässung sind nicht nur finanzielle, sondern auch umfangreiche personelle Kapazitäten. Bisherige Strukturen reichen nicht aus, um die Aufgaben zu bewältigen.
Deshalb hat die Stadt Greifswald kürzlich eine Moormanagerin eingestellt, die auf städtischen Flächen Klimaschutz durch Moorschutz umsetzen soll. In Niedersachsen gibt es seit 2017 die »Kompetenzstelle Paludikultur«. Wichtig ist zudem grundsätzlich eine breit angelegte Ausbildungsoffensive, mit der bestehende Strukturen in Wasserbehörden, Landge-sellschaften, Landwirtschaft, Beratungsinstitutionen gestärkt und Praktiker*innen ausgebildet werden.
Um bis 2050 die anthropogen bedingten CO2-Emissionen aus Mooren in Deutschland einzusparen, ist es erforderlich, entlang eines Transformationspfades jährlich circa 50.000 Hektar wiederzuvernässen, europaweit sind es circa 1.000.000 Hektar pro Jahr. Damit muss heute begonnen werden, um große Belastungen aller Akteure durch Vernässung sehr viel größerer Flächen erst zur Mitte des Jahrhunderts zu vermeiden und eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Anpassung zu ermöglichen.
Eine Bewirtschaftung bei hohen Wasserständen stellt einen Paradigmenwechsel dar und erfordert neue Konzepte, Nutzpflanzen und Technik sowie eine Veränderung der bisherigen Agrarförderung. Die Herausforderungen im Moorschutz sind nur zu meistern, wenn möglichst viele Akteure über die Thematik und ihre Hintergründe informiert sind, im Moorschutz Anreize für eigenes Handeln erkennen und im eigenen Handlungsfeld an einem Strang ziehen. (2)
Quellen
(1) www.mires-and-peat.net/pages/volumes/map27/map2705.php
(2) Succow, M. / Jeschke L. (2022): Deutschlands Moore. Ihr Schicksal in unserer Kulturlandschaft, Natur + Text Verlag, Rangsdorf.