Was tun gegen Mikroplastik?
Mikroplastik nennt man kleine Kunststoffteilchen, die nicht größer als fünf Millimeter sind. Umweltschutzorganisationen wie der BUND sehen in ihnen eine Gefahr für Mensch und Umwelt. Über den Grund dafür und wie sich Mikroplastik bekämpfen ließe, spricht oekom-Autorin Nadine Schubert mit Nadja Ziebarth, der Meeresschutzreferentin des BUND im Interview.
03.02.2020
Nadine Schubert: Über Kosmetika landet Mikroplastik im Abfluss, aber es gibt deutlich wichtigere Quellen von Mikroplastik. Welchem Problem sollten wir uns zuerst widmen?
Nadja Ziebarth: Kosmetik ist zwar nicht die Haupteintragsquelle von Mikroplastik in Gewässer, aber sie ist eine Quelle, die wir ganz klar identifizieren und daher eliminieren können. Letztlich ist jedes Plastik ein Problem, denn in der Umwelt werden auch große Teile irgendwann zu Mikroplastik, weil Wasser und Sonne Kunststoffe porös machen und sie irgendwann zerfallen. Reifenabrieb könnte aus dem Wasser gefiltert werden, wenn er in den Klärwerken landen würde. Aber auch aus Synthetikkleidung wird Mikroplastik ausgewaschen. Dazu zählen alle Fasern, auch die, die dicht gewebt sind. In Bekleidung aus Kunstfasern werden häufig Füllmittel verwendet, die ausgespült werden können. Bei der ersten Wäsche gehen am meisten Fasern verloren. Eine Verpflichtung der Hersteller, die Produkte vor der Auslieferung zu waschen, könnte helfen. Die Betriebe müssten dann mit entsprechenden Filteranlagen ausgestattet werden.
Kann man noch ruhigen Gewissens Synthetik tragen?
Jein. Jedes Kleidungsstück verliert mehrere hundert Fasern pro Waschgang – Naturfaser, aber auch Kunstfaser. Große Teile davon landen im Flusensieb, vieles rutscht aber durch und landet im Abwasser. Und wenn es in der Kläranlage nicht gefiltert wird, gelangt es in Deutschland häufig noch auf den Acker. Ich würde dafür plädieren, die Filter in den Kläranlagen zu verbessern.
Gibt es eine Kennzeichnungspflicht für Mikroplastik in Kosmetikprodukten?
Nein, es gibt keine Kennzeichnungspflicht. Es gibt nur eine gesetzliche Verpflichtung, alle Inhaltsstoffe anzugeben. Wir vom BUND haben einen Einkaufsratgeber erstellt, der Produkte auflistet, die Mikroplastik enthalten. Damit leisten wir eine Art Übersetzungsarbeit, denn der Verbraucher kennt sich mit den Fachbegriffen häufig nicht aus. Wir lesen die Verpackung und verstehen, was dort steht. Bei manchen Produkten im Drogeriesortiment, z. B. Lippenstift, gibt es aber gar kein Etikett. Da muss der Laden die Liste mit Inhaltsstoffen vorhalten und auf Nachfrage aushändigen.
Warum verwenden Hersteller von Kosmetik überhaupt Plastik für ihre Produkte?
Mikroplastik ist ein praktischer Stoff, mit dem man viel machen kann. Der BUND hat sich zuerst diejenigen Partikel angeschaut, die man mit dem bloßen Auge noch erkennen kann. Diese kommen als Peelingkörper zum Einsatz. Der größere Teil ist aber der, den wir gar nicht sehen. Das sind Kunststoffe, die als Bindemittel und Filmbildner fungieren. Sie werden deshalb verwendet, weil sie preiswert und in der chemischen Reaktion stabil sind.
Wie ist die Belastung von Fisch und Meeresfrüchten mit Mikroplastik?
Tiere fressen Plastik, und wir wissen, dass größere Mikroplastikpartikel wieder ausgeschieden werden. Das Problem ist, dass an diesen Plastikteilchen Schadstoffe aus der Umgebung anhaften. Die Frage, die sich stellt, ist: Was passiert mit den Schadstoffen im Körper der Tiere? Feinere Teile können in die Zellen wandern, was bei Muscheln schon zu Geschwüren geführt hat. Essen wir, wie bei Muscheln, das gesamte Tier, gelangen diese Stoffe unweigerlich in unseren Körper. Fisch essen wir ohne Magen und Darm. Es kann aber sein, dass die Schadstoffe auch ins Fleisch wandern und über diesen Weg auf unserem Teller landen.
Was fordern Sie von der Politik im Bezug auf Mikroplastik?
Vor allem fordern wir ein Verbot von Mikroplastik in Kosmetik. Als unser Einkaufsratgeber 2014 durch die sozialen Medien ging, haben die Hersteller reagiert und gesagt, sie steigen bis 2016 aus und verbannen Mikroplastik aus ihren Produkten – alles auf freiwilliger Basis. Codecheck hat 2016 für uns herausgefunden, dass es kaum Verbesserungen gab. Jetzt ist die Rede vom Jahr 2020. Wir fordern eine EU-weite gesetzliche Regelung zum Mikroplastik. (Anm. d. Red.: Im Rahmen ihrer Strategie für Kunststoffe plant die EU eine Beschränkung für Mikroplastik. Diese wird derzeit von der European Chemicals Agency (ECHA) ausgearbeitet und soll im Falle einer erfolgreichen Ratifizierung 2022 in Kraft treten.)
Das Interview erschien erstmals 2018 im Ratgeber »Noch besser leben ohne Plastik« von Nadine Schubert.