Bio, fair oder regional – wie soll ich mich entscheiden?
Garantieren Siegel ein wirklich faires und ökologisches Produkt? Und wer produziert effizienter – Fabrik oder Kleinbäcker? Der Umweltökonom Niko Paech beantwortete für unseren Ratgeber »Einfach öko« drei Fragen über die Zwickmühlen des ökofairen Einkaufens und erklärt, wo aus seiner Sicht das eigentliche Problem liegt.
03.02.2020
Einfach öko: Fair Trade, MSC – über Label höre ich Widersprüchliches. Ist es sinnvoll, mich daran zu orientieren?
Niko Paech: Label haben durchaus ihre Tücken. Sie scheinen Genuss ohne Reue zu versprechen, obwohl es allen Kennzeichnungen zum Trotz nicht für jeden Konsumwunsch eine nachhaltige Lösung gibt. Insoweit weisen sie in eine fatale Richtung: Sie täuschen über die Notwendigkeit der Selbstbegrenzung hinweg. Unser Planet und seine Ressourcen sind begrenzt, eine maßlose Warenkultur ist daher auch mit zertifizierten Produkten nicht möglich.
Außerdem sind diese bestenfalls nur relativ verträglicher als konventionelle. Bestimmte Nachhaltigkeitsvorteile können sogar Defizite in anderen Bereichen nach sich ziehen. »Politisch korrektes« Konsumieren ist vielfach nur symbolische Kompensation. Was nützt es, wenn Flugreisende ihr schlechtes Gewissen in ökofairem Kaffee oder Bionade zu ertränken versuchen? Dennoch: Wo Konsum nicht vermeidbar ist, dürfte es in den meisten Fällen empfehlenswerter sein, Produkte mit Bio oder Fair-Trade-Label zu bevorzugen.
Wie soll ich entscheiden, wenn Produkte nicht zugleich fair, bio, regional, plastikfrei etc. sind?
Bei den meisten Gütern des täglichen Gebrauchs lassen sich durchaus Produkte finden, die zugleich bio, regional oder auch plastikfrei sind. Ein Konflikt zwischen Regionalität und Fair Trade entfiele, wenn Fair-Trade-Konsum auf Produkte beschränkt bliebe, die in der Region nicht hergestellt werden können (Kaffee, Tee etc.) oder für die sich kein adäquater Ersatz aus regionalem und ökologischem Anbau finden ließe. Heimischer Apfelsaft könnte eine gute Alternative zu fair gehandeltem Orangen- oder Maracujasaft darstellen.
Das eigentliche Problem besteht im gesellschaftlichen Anspruch, neben Apfelsaft auch Saft aus Südfrüchten kaufen zu können. Es mangelt nicht am nachhaltigen Produktdesign, sondern an hinreichender Genügsamkeit oder Anpassungsbereitschaft. Wenn Konsumansprüche den Rahmen dessen sprengen, was auf nachhaltige Weise möglich ist, sind Zielkonflikte zwischen unterschiedlichen Nachhaltigkeitsaspekten die Konsequenz.
Kaufe ich Brot besser aus der effizienten Fabrik oder beim Kleinbäcker?
Es ist ein moderner Mythos, dass große Betriebe besonders effizient sind. Aus betriebswirtschaftlicher Perspektive lässt sich das so darstellen, doch ökologisch ist Effizienz nie zum Nulltarif zu haben. Um sie zu verbessern, muss investiert werden: Eine Backfabrik kann nur mit weniger Energie, Wasser oder Rohstoffen pro Brot oder Brötchen auskommen, wenn zuvor in neue Maschinen, Anlagen und Technologien investiert wurde. Deren Produktion verbraucht ebenfalls Ressourcen; die nötige Infrastruktur muss geschaffen werden. So verlagert die effizienzsteigernde Technologie häufig nur den Ressourcenbedarf.
Die neue, effizientere Anlage ist meist größer und spezialisierter, volle Effizienz wird nur erreicht, wenn auch die entsprechende Menge produziert wird. Es wird also mehr Brot hergestellt. Aber dann sind mehr Transporte, Logistikeinrichtungen, Kühlketten, Verpackungen etc. vonnöten, der Einspareffekt der Effizienz kann sogar (über-)kompensiert werden. Effizienzverbesserungen bringen folglich weniger, als ihnen zugeschrieben wird. Gerade deshalb könnte der kleine Bäcker eine gelungene Balance bieten: Er backt wesentlich effizienter als ein Haushalt und ist Teil der lokalen Selbstversorgung mit kurzen Einkaufswegen ohne Auto. Übrigens: Auch kleine Bäcker können mit sparsamen neuen Öfen und optimierter Nutzung sehr effizient backen.
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