Fair-Trade-Siegel im Check
Für Verbraucher*innen ist es oft schwierig herauszufinden, was »fair gehandelt« im Einzelfall bedeutet und welchen Nutzen die Produzent*innen in den Herkunftsländern tatsächlich davon haben. Die Slow Food Magazin-Autorinnen Marianne Landzettel und Martina Tschirner geben einen Überblick über die wichtigsten Fair-Trade-Siegel und Unternehmen, an denen man sich orientieren kann.
02.07.2020
Fair Trade classic
Am Anfang war die Banane. Oder jedenfalls ziemlich am Anfang, zusammen mit Kaffee. »BanaFair« gehört zu den Non-Profit-Organisationen, die aus der Nicaragua- Solidaritätsbewegung heraus entstanden: Um Produzenten zu besseren Erlösen für ihre Produkte zu verhelfen, galt es, die Mittelsmänner auszuschließen. Und das bedeutete für Fair-Handelsgruppen wie »BanaFair«, selbst zum Importeur und Händler zu werden. Supermärkte hatten ihre festen Lieferketten, was, zusammen mit dem enormen Preisdruck, Teil des Problems war. Die Fair-Handelsorganisationen der ersten Stunde mussten also einen eigenen Markt schaffen.
»BanaFair«-Bananen waren deshalb zuerst nur in Kirchengemeinden und Tagungsstätten zu bekommen und natürlich in den (Dritte) Weltläden, die im Non-Food Bereich bereits lange Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Partnern in Schwellenländern hatten. Heute ist das blau-grün-rote Siegel auch auf Bananen in Hofläden, Gemüsekisten und Naturkostläden zu finden.
Dort gibt es auch Produkte der GEPA (eine Abkürzung, die besser von der Zunge fließt als »Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH«). Die GEPA ist das größte »alternative Handelshaus«, das enge Beziehungen zu den Produzenten unterhält und fair gehandelte Lebensmittel sowie Non-Food-Produkte liefert. GEPA-Produkte sind fair gehandelt, tragen aber kein Fairtrade Siegel – für die Kunden ist die GEPA synonym mit fairem Handel und bedarf keiner unabhängigen Kontrolle.
Zu Beginn der 1990er-Jahre planten die Fairhandels-Aktivisten den Ausbruch aus der Nische. Auslöser war der Zusammenbruch des internationalen Kaffeeabkommens, Kaffeekleinbauern verdienten plötzlich nicht einmal genug, um die Herstellungskosten zu decken. Fairer Handel könnte helfen, so die Überlegung, wenn sich genug Kunden fänden, die bereit wären, einen Aufpreis zu zahlen. Um das zu erreichen, musste der faire Handel für den »Fair-Trade-Kaffee« Regalplatz in den Supermärkten erobern.
TransFair und Fairtrade
Viele Menschen sind bereit, für ein fair gehandeltes Produkt etwas mehr zu bezahlen, wenn sie sicher sein können, dass dieses Geld den Produzenten auch tatsächlich zugute kommt. Das zu garantieren ist der Sinn aller »Fair-Trade-Siegel«: Sie garantieren die Einhaltung genau definierter Kriterien. Das bekannteste Siegel ist das internationale, blau-grüne »Fairtrade«-Logo – zu erkennen auch an der Schreibweise »Fairtrade« (in einem Wort). Auf nationaler Ebene zuständig ist »TransFair Deutschland«. Der »Fairtrade«-Aufschlag wird an die Produzenten weitergeleitet, die selbst entscheiden, wie sie die Mittel zur Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen verwenden wollen. Zahlung und Verwendung werden von unabhängigen Auditoren kontrolliert.
Die Arbeit der nationalen Siegelinitiativen wird über die Logonutzungsgebühren finanziert, bezahlt von den Firmen, die im jeweiligen Land »Fairtrade«-Waren herstellen oder vertreiben. Auch diese Handelspartner müssen sich einer Überprüfung bzw. einem Audit unterziehen, erst danach haben sie Zugriff auf das internationale »Fairtrade«- Register« mit den »Fairtrade«-Lieferantengruppen.
Ein ausgeklügeltes System, auf das sich die Kunden verlassen können? Allerdings bleibt die Frage, warum das Siegel nur für das Produkt, nicht für den Produzenten vergeben wird.
Von Kleinbauern produziert
Dass es »nur« um das Produkt geht, hat historische Gründe: Zunächst ging es darum, den Kaffeekleinbauern zu helfen, die durch den Einbruch der Weltmarktpreise existenziell bedroht waren. Als nächstes Produkt folgte fair gehandelter Tee, was nur mit einer Ausnahmeregelung möglich war – denn Tee wächst überwiegend auf Plantagen. Kaffeeplantagen hingegen können nicht zertifiziert werden, Kaffee muss auch weiterhin von Kleinbauern stammen.
Kriterien, die an Produkten und nicht an Arbeitsbedingungen orientiert sind, können manchmal zu absurden Situationen führen. Ein Beispiel dafür ist die »Fairtrade«- und biozertifzierte Teeplantage Iyerpadi in Südindien. Um die Teepflanzen vor zu viel Sonne zu schützen, werden in gleichmäßigen Abständen sogenannte Schattenbäume gepflanzt. Die glatten Stämme sind außerdem gut geeignet, um Pfefferpflanzen daran hochranken zu lassen. Tee und Pfefferanbau lassen sich gut kombinieren und der Pfeffer ist eine gute zusätzliche Einkommensquelle. Anders als der Tee darf er aber nicht unter »Fairtrade«-Konditionen verkauft werden. Trotz solcher Einschränkungen ist Fairtrade eine Erfolgsgeschichte, es eröffnet weltweite Marktzugänge für Kleinbauern-Genossenschaften aus dem globalen Süden. In Deutschland gehört Fairtrade zu den bekanntesten Siegeln, und gerade diese Bekanntheit macht es für viele Unternehmen interessant.
Fair Trade light
Aber es gibt längst kostengünstigere Wege, um das Firmenimage aufzubessern – CSR (Corporate Social Responsibility) und Nachhaltigkeit sind keine geschützten Begriffe mit klaren Kriterien, sondern können auch mit eher wolkigen Ankündigungen gefüllt werden. Auf den Firmenwebsites geht es dann um den Schutz des Regenwaldes, das Schonen von Ressourcen oder Hilfe, um landwirtschaftliche Produkte nachhaltiger zu produzieren.
Nicht die Rede ist von besseren Preisen für die Produzenten oder gar »Fair Trade Prämien«. Zwar werden die Produkte häufig mit einem Preisaufschlag verkauft, der geht aber nicht an die Produzenten, sondern fließt in Baumpflanzaktionen, ein UNICEF Projekt oder eine WWF Initiative – das sind klassische Spenden und schön für die Orang-Utans in Borneo, fairer Handel ist das nicht.
Für Firmen, die trotzdem gern ein Siegel hätten, gibt es preisgünstige Lösungen, z.B. den grünen Frosch von der »Rainforest Alliance«. Eine Studie der UNDP (United Nations Development Programme) untersuchte den Nutzen des »Rainforest Alliance«-Siegels für Kaffeeproduzenten in Lateinamerika 2010/11 und kam zu dem Schluss : »Die Produzenten wissen in der Regel nicht, wie viel ihres Kaffees letztendlich zum zertifizierten Preis verkauft wurde, und wenige wissen, ob und welcher Zusammenhang zwischen der (»Rainforest Alliance«) Zertifizierung und dem Prozentanteil des Preises, den sie bekommen, besteht.«
Den Produzenten bleibt in der Regel trotzdem keine Wahl, große Firmen und Importeure stellen die Bedingungen, und wer seinen Kaffee (Tee, Bananen, Kakao, Baumwolle...) verkaufen will, dem bleibt nichts anderes übrig, als für ein weiteres Audit zu zahlen. Einen konkreten Nutzen haben die Arbeiter nicht, die Zertifizierung ist zu einer weiteren Bedingung geworden, die erfüllt werden muss, um überhaupt Marktzugang zu bekommen.
Orientierung im Siegelwald
Was kann man als Kunde tun? Welchem Siegel kann man trauen? Wie stellt man sicher, dass man wirklich ein fair gehandeltes Produkt kauft und der Mehrpreis den Produzenten zugutekommt? Verlass ist auf den klassischen fairen Handel, also bei einem Einkauf im Weltladen oder in den Fairhandelsunternehmen in Deutschland, wie GEPA, »El Puente«, »BanaFair« und »WeltPartner«. Für die Einhaltung der Grundsätze des fairen Handels stehen sie mit ihrer Marke und werden – ebenso wie Produkte mit dem »Fairtrade«-Siegel – regelmäßig extern überprüft.
Und wie sieht es mit der Kombination von fair und bio aus? Auch die gibt es, mit dem »Naturland Fair-Siegel«. Der Bioverband bietet es als eine freiwillige Zusatzqualifizierung für Erzeuger und Verarbeiter an, die bereits eine Naturland-Zertifizierung haben. Damit soll ganzheitliches Engagement – von den Produzenten über die Verarbeitung bis hin zum Vertrieb – belegt und Kleinproduzenten stärker in den Mittelpunkt gestellt werden.
Mit einem ganz eigenen »Fair-und-Bio«-Siegel schmückt »Rapunzel«, Hersteller und Anbieter von Bioprodukten und -lebensmitteln, bestimmte Produkte. Das Unternehmen bezieht Rohstoffe wie Kakao und Vollrohrzucker aus dem Globalen Süden und hat deshalb das »Hand-in-Hand-Fairhandels-Programm« für eine faire Zusammenarbeit mit den Produzenten und hohe Produkt-Qualität ins Leben gerufen. Unabhängige und regelmäßige Kontrollen für das »Hand-in-Hand-Siegel« gibt es selbstverständlich auch.
Übrigens gibt es mittlerweile viele Produkte, die sowohl fair als auch biozertifiziert sind, also beide Siegel tragen. Laut »TransFair Deutschland« sind das heute mehr als 70 Prozent der in Deutschland verkauften Lebensmittel mit »Fairtrade«-Siegel. Beide sind wichtig, denn sie stehen für ein gemeinsames Ziel: ein für die Menschen und die Umwelt nachhaltiges und faires Wirtschaften.
Siegel und Händlerlogos für fair gehandelte Waren
Hier finden Sie eine Übersicht über die bekanntesten Fair-Trade-Siegel und -Händler
WELTLADEN
Dachverband für den Fairen Handel mit Läden, in denen fast alle Produkte auch aus Fairem Handel stammen.
WFTO – WORLD FAIR TRADE ORGANIZATION
Internationale Dachorganisation ohne Produktlabel, zu der sowohl Produzenten als auch Fairhandelsunternehmen, wie z.B. GEPA und »El Puente« gehören.
GEPA
Fair gehandelte Lebensmittel und Non-Food-Produkte ohne »Fairtrade«-Siegel im größten »alternativen Handelshaus«, enge Beziehungen zu den Produzenten.
EL PUENTE
Das Fairhandelsunternehmen importiert Produkte des Fairen Handels von Kleinbetrieben und Kooperativen in Afrika, Asien und Lateinamerika.
WELTPARTNER
Unternehmen für Fairen Handel mit mehr als 500 Lebensmitteln im Angebot, der größte Teil in Bioqualität, vielfach auch »Naturland Fair«-qualifiziert.
BANAFAIR
Fairhandelsorganisation der ersten Stunde für den Vertrieb von Biobananen.
FAIRTRADE
Unternehmensunabhängiges, weltweit gültiges Produktsiegel für fair gehandelte Lebensmittel, Textilien und Blumen.
HAND IN HAND
»Fair-und-Bio«-Siegel für Bioprodukte und -lebensmittel des süddeutschen Unternehmens »Rapunzel«.
NATURLAND FAIR
Zusatzsiegel für Bioprodukte des Naturland-Verbandes aus ökologischem Landbau für soziale Verantwortung und regionalem wie weltweitem, fairem Handel.