Nachhaltiger Urlaub

Ökologischen Reisefußabdruck berechnen und kompensieren

Tourismus ist eine potenzielle CO2-Schleuder: Wer klimafreundlich und nachhaltig urlauben will, sollte über den ökologischen Fußabdruck seiner Reise Bescheid wissen. oekom-Autorin Julia-Maria Blesin erklärt in »Green travelling«, wie sie diesen ermitteln und ausgleichen.

29.09.2021

Ökologischen Reisefußabdruck berechnen und kompensieren | CO2-Bilanz Tourismus nachhaltiger Tourismus Camping Wandern Klimaschutz

Energieverbrauch und CO2-Emissionen hängen im Tourismus zu 75 Prozent mit der Nutzung von Verkehrsmitteln zusammen [1]. Je nach Mobilitätsart kann aber auch die Unterkunft einen beachtlichen Anteil am Fußabdruck einer Reise haben. Mit Rucksack und Rad zu reisen ist löblich. Nächtigt man auf der Tour allerdings in Fünf-Sterne-Hotels, wäre der Urlaub nicht weniger ressourcenaufwendig als die An- und Abreise mit Dieselauto und der zweiwöchige Aufenthalt im Ökohotel.

Um zu ermitteln, welche Faktoren eine Reise aus Nachhaltigkeitsperspektive problematisch machen und wie sehr, können wir auf zwei wissenschaftliche Konzepte zurückgreifen:

1. Der ökologische Fußabdruck berechnet, wie viel biologisch produktive Land- und Wasserflächen – also Ackerland, Weideland, Waldflächen, Fischgründe und bebaute Flächen – benötigt würden, um die verbrauchten Ressourcen zu produzieren und die anfallenden Abfälle (auch CO2) aufzunehmen. Angewendet werden kann der ökologische Fußabdruck auf Individuen, Bevölkerungen oder Aktivitäten (z. B. das Reisen). Unter der Messgröße der globalen Hektar (gha) werden die Faktoren Ernährung, Wohnen, Konsum und Mobilität zusammengefasst.

Die Angebot-versus-Nachfrage-Bilanz für unseren gesamten Planeten sieht mau aus: Laut Daten der Non-Profit-Organisation Global Footprint Network übersteigt die weltweite Nachfrage nach natürlichen Ressourcen seit 1971 durchgehend das Angebot an regenerierten Ressourcen [2]. Gegenwärtig bräuchte die Erde mehr als anderthalb Jahre, um den Verbrauch eines Jahres zu decken.

Wenig überraschend: Wir Europäer*innen leben besonders über unsere Verhältnisse. Würden alle Erdenbewohner*innen unseren Lebensstil pflegen, wären fast drei Erden notwendig, um den Ressourcenverbrauch nachhaltig zu ermöglichen. Im Jahr 2017 betrug in Deutschland der Pro-Kopf-Fußabdruck 4,7 globale Hektar. Damit auch zukünftige Generationen auf Ressourcen zurückgreifen können, würde der nachhaltige ökologische Fußabdruck in Deutschland bei etwa 1,5 globalen Hektar (15.000 Quadratmetern) pro Person liegen [3].

2. Der CO2-Fußabdruck ist ein weiteres beliebtes Konzept. Hier werden Negativeinflüsse auf das Klima – also solche, die zur Erderwärmung und damit zu den negativen Folgen für Mensch und Natur beitragen – in CO2-Äquivalente in Kilogramm umgerechnet. Der Richtwert für einen klimaschützenden Lebensstil liegt bei zwei Tonnen pro Kopf im Jahr. Jede*r Deutsche verursacht momentan allerdings mehr als das 6-Fache – nämlich durchschnittlich 12,5 Tonnen [4].

Fußabdruckrechner zeigt Kosten in m2 oder kg CO2

Egal, welche Messgröße man zugrunde legt: Das jährliche »Freikontingent« an globalen Hektar oder Tonnen CO2 ist mit einem zweiwöchigen Aufenthalt im Luxusresort ebenso schnell ausgeschöpft wie mit der motorisierten An- und Abreise zum Urlaubsort, zum Beispiel 1.200 km von Hannover an die nordspanische Mittelmeerküste (siehe Tabelle unten).

Der Fußabdruckrechner der Technischen Universität Graz zeigt dies und lässt die Berechnung für die ganz persönliche und individuelle Reiseplanung zu. Nach der Abfrage von An- und Abreise, Unterkunft und Verpflegung sowie Mobilität und Aktivitäten vor Ort spuckt der Rechner eine Gesamtbilanz für die geplante Reise als Fußabdruck in Quadratmetern wie auch in Kilogramm CO2 aus [5].

An- und Abreise pro Person bei 1.200 Kilometern

  Fußabdruck in m2 kg CO2
Rad 5.464 18,0
E-Bike 11.128 39,6
Bahn 23.374 92,4
Bus 36.414 162,0
Schiff 40.560 248,4
Flugzeug 43.238 234,0
Auto
(7,2 Liter Diesel, 2 Personen)
51.100 247,7
Campingbus / Wohnmobil
(10 Liter Diesel / 2 Personen)
60.157 299,2

Unterkunft pro Person für 14 Tage

  Fußabdruck in m2 kg CO2
Campingbus/Wohnmobil 7.605 38,4
Campingplatz 24.848 114,0
Jugendherberge 27.286 127,4
Ferienwohnung 36.929 162,8
Ferienhaus 38.998 170,2
Ökohotel 60.506 215,3
Fünf-Sterne-Hotel 281.871 1.163,9

Eindeutig ist: Flugzeug, Schiff und die Reise auf vier (eigenen) Rädern frisst die meisten Ressourcen. Überraschen mag, dass Flugzeug und Schiff eine weniger drastische Umweltauswirkung haben als Auto oder Wohnmobil.

Den Abdruck der motorisierten Reise kann man jedoch ganz deutlich mit der Auslastung im Fahrzeug senken. Würde der Campingbus statt mit zweien mit drei Personen besetzt sein, läge der Fußabdruck pro Kopf unter dem der Flugzeug- und Schiffsreise. Zudem kann eine umsichtige Fahrweise Energieverbrauch und Emissionen deutlich reduzieren. Bei der An- und Abreise mit dem Flugzeug wäre zusätzlich mindestens ein Hin- und Fortkommen zur Unterkunft hinzuzurechnen.

Jetzt sind Sie dran! Die folgenden Tabellen zeigen die Werte heruntergerechnet auf einen Kilometer An- und Abreise sowie eine Übernachtung jeweils für eine Person. Nun können Sie Ihre geplante Reise ganz einfach berechnen!

An- und Abreise pro Person pro zurückgelegtem Kilometer

  Fußabdruck in m2 kg CO2
Rad 4,6 0,015
E-Bike 9,3 0,033
Bahn 21,1 0,077
Bus 30,3 0,135
Schiff 33,8 0,207
Flugzeug 36,0 0,195
Auto
(7,2 Liter Diesel, 2 Personen)
42,6 0,206
Campingbus / Wohnmobil
(10 Liter Diesel / 2 Personen)
50,1 0,249

Unterkunft pro Person pro Übernachtung

  Fußabdruck in m2 kg CO2
Campingbus/Wohnmobil 543,2 2,743
Campingplatz 1.774,9 8,143
Jugendherberge 1.949,0 9,100
Ferienwohnung 2.637,8 11,629
Ferienhaus 2.785,6 12,157
Ökohotel 4.321,9 15,379
Fünf-Sterne-Hotel 20.133,6 83,136

Fußabdruck ausgleichen

Über Anbieter wie Atmosfair oder MyClimate kann man Flüge, Kreuz- und Autofahrten ausgleichen: Die verursachten CO2-Emissionen in Tonnen werden beispielsweise gegenüberstellt mit der Zahl der Bäume, deren es bedürfen würde, um das Kohlenstoffdioxid zu binden. Die Pflanzung ebenjener Bäume in Aufforstungsprojekten kann man dann mit einem bestimmten Geldbetrag unterstützen und so die ökologische Missetat kompensieren.

Neben dem Pflanzen von Bäumen gibt es auch weitere Klimaschutzprojekte: solche etwa, die den Aufbau von klimafreundlicher Energieerzeugung durch Solar-, Wind- oder Wasserkraft fördern und damit dreckige Energiegewinnung in Kohlekraftwerken ersetzen können. Andere geförderte Projekte konzentrieren sich auf Bildung, Investitionen in medizinische Einrichtungen oder den Aufbau von Infrastruktur und Arbeitsplätzen, um langfristig eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Das Umweltbundesamt empfiehlt, solche Kompensationsprojekte auszuwählen, die mit dem Siegel »Gold Standard« ausgezeichnet sind.

Aber Achtung: Das Kompensieren von klimaschädlichem Verhalten sollte kein ökologischer Ablasshandel sein. Ziel ist nicht, ohne Gewissensbisse und wie bisher weiter zu konsumieren. Neben der Wiedergutmachung soll das Kompensieren auch zu einem Bewusstsein für das eigene klimawirksame Handeln beitragen. Was kostet ein Flug tatsächlich? Der supergünstige Flug ist vielleicht nicht mehr erste Wahl, wenn man die Kosten für den Ausgleich des Klimaschadens aufrechnet. Viele Tools, die den ökologischen oder CO2-Fußabdruck berechnen, geben außerdem Tipps, wie man den eigenen Einfluss verringern kann. Für Fern- und Flugreisen gilt: diese bewusst unternehmen und als den Luxus anerkennen, die sie sind.


Anmerkungen

1 Gössling, Stefan / Peeters, Paul (2015): Assessing tourism’s global environmental impact 1900–2050, in: Journal of Sustainable Tourism, 23:5, S. 639–659.

2 Bundeszentrale für politische Bildung (2017): Ökologischer Fußabdruck und Biokapazität.

3 Global Footprint Network (2021): Ecological Deficit/Reserve.

4 Smid, Karsten (2014): Unser CO2-Fußabdruck.

5 Technische Universität Graz (2021): Ökologischer Fußabdruck für Urlaub und Reise.

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Die Autorin 

Seit der Geburt ihrer ersten Tochter lebt Julia-Maria Blesin möglichst nachhaltig. Auf ihrem Blog »Nicetohavemag« und den gleichnamigen Social-Media-Kanälen teilt sie ihre Erfahrungen zu fairer Mode, Naturkosmetik, alternativem Reisen & Co.

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