Rechtspopulismus, das Klima und die Umwelt
Die Ablehnung von Klimaschutz ist eine weitverbreitete Position im Rechtspopulismus. Diese Ablehnung wird häufig durch ein Narrativ von einem anständigen Volk und einer korrupten Elite begründet. Welche Zusammenhänge stehen hinter dieser Argumentation und einem nationalistischen Denken? Von Bernd Sommer und Miriam Schad aus Ökologisches Wirtschaften Sonderheft O1 - 2023.
30.06.2023
»Die Kritik an der sogenannten Klimaschutzpolitik ist nach dem Euro und der Zuwanderung das dritte große Thema für die AfD« (Gauland nach Reusswig et al. 2020, 145). Dies gab Alexander Gauland, der ehemalige Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), im Jahr 2019 bekannt. Trotz einiger Ausnahmen, ist die Ablehnung von Klimaschutz für den organisierten Rechtspopulismus durchaus typisch geworden. So verband auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump Xenophobie mit einer Rücknahme des Umwelt- und Klimaschutzes.
Fossiler Faschismus?
Daggett (2018) verwendete für diese Verbindung den Begriff des »fossilen Faschismus«. Dieser ist in der Studie White Skin, Black Fuel. On the Danger of Fossil Fascism von Malm und dem Zetkin Collective (2021, siehe Beitrag von Söding und Callison in Ökologisches Wirtschaften Bd. 38 Nr. O1 (2023)) aufgegriffen worden; vor dem Hintergrund, dass in der Forschung zum Rechtspopulismus der Klimawandel bis vor Kurzem kaum Beachtung fand.
Umgekehrt ist bemerkenswert, dass auch die Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung das Thema eines erstarkenden Rechtspopulismus lange Zeit ausblendete. Dies war Ausgangspunkt des Forschungsvorhabens Politiken der Nicht-Nachhaltigkeit (PONN), aus dem im Folgenden einige der zentralen Befunde vorgestellt werden (Sommer et al. 2022). [1]
Rechtspopulismus und Klimaschutz: Positionen und Erklärungsansätze
Für die Studie ist die Literatur zu klimarelevanten Positionen auf rechtspopulistischen Blogs sowie von Organisationen und Parteien ausgewertet worden. Für Deutschland waren dies entsprechend der Studienlage in erster Linie Verlautbarungen der AfD. Dabei wird die Infragestellung des wissenschaftlichen Konsenses zum anthropogenen Klimawandel beobachtet, welche sich mitunter mit Verschwörungserzählungen mischt.
Beim Klimawandelskeptizismus unterscheiden sich die Formen der Leugnung. So leugnet die AfD mittlerweile zumeist nicht mehr den Erwärmungstrend selbst, sondern vor allem den menschlichen Anteil daran, sowie die Notwendigkeit, Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen.
Weiter ist ein dominantes Narrativ im Rechtspopulismus, dass Klimaschutz und die Energiewende eine Gefahr für Wirtschaft und Arbeitsplätze darstelle. In diesem Zusammenhang werden auch Förderungen für erneuerbare Energien sowie die Verteilungswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen kritisiert.
Inhaltlich ist von dieser Erzählung abzugrenzen, dass Klimaschutz ein Projekt der Eliten sei, dem es an demokratischer Legitimation fehle. Dies steht auch in Zusammenhang mit einer Ablehnung der EU, die Klimaschutz und den Umbau des Energiesektors vorantreibt.
Die Argumentationen vermischen sich aber auch mit einem generellen Skeptizismus gegenüber der EU, die als Bedrohung für die nationalstaatliche Souveränität gesehen wird, sowie der grundsätzlichen Ablehnung von staatlichen Eingriffen in den Markt oder die individuelle Freiheit.
Abbildung 1: Begründungsmuster der Ablehnung von Klimaschutz im Rechtspopulismus
Nach Mudde und Kaltwasser (2019) ist das populistische Narrativ dadurch gekennzeichnet, dass die Gesellschaft in zwei antagonistische Lager gespalten sei: Das »anständige Volk« und die »korrupte Elite«, die gegen »den Volkswillen« agiere. Wird diese »dünne Ideologie« mit Nationalismus und Autoritarismus verbunden, wird in der Literatur von Rechtspopulismus gesprochen. Bei den berichteten Positionen zum Klimaschutz lässt sich sowohl die nationalistische als auch eine populistische Kernerzählung identifizieren (siehe Abbildung 1).
In Bezug auf die Frage, wie die spezifischen rechtspopulistischen Haltungen gegenüber Fragen des Klima- und Umweltschutzes zu erklären sind, haben wir fünf verschiedene Erklärungsansätze identifizieren können:
Ein zentraler Erklärungsstrang sieht wirtschaftliche Gründe als zentral und argumentiert zum Beispiel, dass rechtspopulistische Kräfte ein Angebot für Transformationsverlierer*innen schaffen. Dies ist beispielsweise in der Lausitz zu beobachten, wo sich die AfD für die Fortsetzung des Abbaus von Braunkohle einsetzt. Ähnlich argumentiert auch Hochschild (2018), die eine »Deep Story« beschreibt, bei der es stärker um eine wahrgenommene Benachteiligung sowie die Vorstellung geht, dass Umweltschutzauflagen verhindern, den als legitim erachteten Platz in der Gesellschaft einzunehmen.
Laut eines zweiten prominenten Erklärungsstrangs entspringt die aversive Haltung vieler Rechtspopulist*innen zu Klimaanliegen einer grundlegenden Ablehnung kosmopolitischer Werte (Lockwood 2018).
Eine Reihe von Autor*innen machen, drittens, darauf aufmerksam, dass auf der Einstellungsebene bereits lange und kontinuierlich Haltungen zu beobachten seien, die sich als rechtspopulistisch charakterisieren lassen. Parteien wie der AfD gelinge es »lediglich«, dieses Potenzial zu heben.
Zum Teil wird in der Literatur zum Wandel im politischen Feld, viertens, argumentiert, dass die Ablehnung von Klimaschutzpolitik aus strategischen Gründen erfolge, um Klientel wie Autofahrer*innen anzusprechen.
Schließlich finden sich synthetisierende Ansätze, die etwa ökonomische und kulturelle Faktoren sowie ihre gegenseitige Bedingtheit berücksichtigen. Ein Beispiel ist Eversberg (2018), der den erstarkenden Rechtspopulismus als eine rabiate Form der Verteidigung materieller und kultureller Privilegien interpretiert, die sich in der vorherrschenden imperialen Lebensweise manifestierten.
Ausblick: Ein dynamisches Feld
Die Forschungslandschaft hat sich in den vergangenen zwei Jahren dynamisch entwickelt. So findet sich eine Reihe an neuen Publikationen, die sich sowohl mit rechtspopulistischen Akteur*innen in unterschiedlichen Ländern als auch unterschiedlichen Populismus-Ausprägungen beschäftigen. Es werden linkspopulistische Narrative für den Klimaschutz untersucht (Kemmerzell et al. 2021) oder zu distinkten Positionen gegenüber ökologischer Nachhaltigkeit im rechten politischen Denken geforscht (Selk/Kemmerzell 2022).
Eine Inhaltsanlyse der Mitgliederzeitschrift AfD Kompakt von 2016 bis 2020 zeigt beispielsweise, dass Kritik an Klimaschutzpolitik vor allem mit ökonomischen und neoliberalen Positionen begründet wird und diese im Sinne eines nationalistischen Narratives als Bedrohung für die nationale Ökonomie gesehen wird.
Bemerkenswert ist hierbei, dass Populismus-Merkmale wie Elitenkritik bei der AfD im Vergleich zu anderen rechtspopulistischen Parteien weniger häufig zu beobachten sind (Küppers 2022).
Die Auseinandersetzungen um Lützerath oder die Proteste der Letzten Generation deuten auf eine Zuspitzung der gesellschaftlichen Konflikte im Zusammenhang mit dem Klimaschutz hin. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass auch seine Politisierung durch Rechtspopulist*innen anhält.
Anmerkung
[1] Das Projekt Politiken der Nicht-Nachhaltigkeit (PONN): National-autoritärer Populismus und neue soziale Disparitäten als gesellschaftliche Rahmenbedingungen einer sozial-ökologischen Transformation war im Zeitraum von 1. 6. 2020 bis zum 31. 7. 2021 an der Europa-Universität Flensburg sowie der TU Dortmund angesiedelt und ist vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert worden (Förderkennzeichen: 01UV2071 A+B). Ausführliche Informationen zum Projekt sind hier abrufbar: www.uni-flensburg.de/nec/forschung/ponn
Literatur
Daggett, C. (2018): Petro-masculinity – Fossil Fuels and Authoritarian Desire. In: Millennium: Journal of International Studies 47/1: 25–44. DOI: 10.1177/0305829818775817
Eversberg, D. (2018): Innerimperiale Kämpfe – Drei Thesen zum Verhältnis zwischen autoritärem Nationalismus und imperialer Lebensweise. In: PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 48/190: 43–54. DOI: 10.32387/prokla.v48i190.31
Hochschild, A. R. (2018): Strangers in their own land – Anger and mourning on the American right. New York, The New Press.
Kemmerzell, J./Selk, V./Sonnicksen, J. (2021): Populismus fürs Klima? Chancen und Grenzen linkspopulistischer Klimapolitik. In: Kim, S./Selk, V. (Hrsg.): Wie weiter mit der Populismusforschung? Baden-Baden, Nomos. 137–158. DOI: 10.5771/9783748922773-135
Küppers, A. (2022): ‘Climate-Soviets,’ ‘Alarmism,’ and ‘Eco-Dictatorship’ – The Framing of Climate Change Scepticism by the Populist Radical Right Alternative for Germany. In: German Politics: 1–21. DOI: 10.1080/09644008.2022.2056596
Lockwood, L. (2018): Right-wing populism and the climate change agenda – exploring the linkages. In: Environmental Politics 27/4: 712–732. DOI: 10.1080/09644016.2018.1458411
Malm, A./Zetkin Collective (2021): White Skin, Black Fuel – On the Danger of Fossil Fascism. London, Verso
Mudde, C./Kaltwasser, C. R. (2019): Populismus – Eine sehr kurze Einführung. Bonn, Bundeszentrale für politische Bildung.
Reusswig, F./Lass, W./Bock, S. (2020): Abschied vom NIMBY – Transforma- tionen des Energiewende-Protests und populistischer Diskurs. In: Forschungsjournal soziale Bewegungen 33/1: 140–160. DOI: 10.1515/ fjsb-2020-0012
Selk, V./Kemmerzell, J. (2022): Positionen zu Nachhaltigkeit im rechten politischen Denken – Fundamentalpolitisierung, Neutralisierung und retrograde Adaption. In: Zeitschrift für Politik 69/3: 303–318. DOI: 10.5771/0044-3360-2022-3-303
Sommer, B. et al. (2022): Rechtspopulismus vs. Klimaschutz? Positionen, Einstellungen, Erklärungsansätze. München, oekom.